Vor 100 Jahren - Ernst Lubitschs Aufbruch nach Hollywood (2025)

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Mit seinem UFA-Historienfilm „Madame Dubarry“ begeisterte Ernst Lubitsch nach dem Ersten Weltkrieg die US-Kinogänger derart, dass Hollywood den Berliner Regisseur einlud. Heute vor hundert Jahren brach er in die kalifornische Film-Metropole auf.

Von Hartmut Goege |

Vor 100 Jahren - Ernst Lubitschs Aufbruch nach Hollywood (1)

Zahlreiche Freunde und Kollegen stehen am Morgen des 2. Dezember 1922 im alten Lehrter Bahnhof in Berlin, um Ernst Lubitsch zu verabschieden. Der junge, 30-jährige Regisseur hat eine Einladung der berühmten Mary Pickford nach Hollywood angenommen. Mit ihr in der Hauptrolle soll Lubitsch einen Kostümfilm inszenieren. Der Berliner „Film-Kurier“ hatte zuvor gemeldet:

„Was bereits vor Monaten angezeigt, dann wieder dementiert wurde, ist nun doch Tatsache geworden. Ernst Lubitsch rüstet sich zu einem mehrmonatigen Aufenthalt in den Vereinigten Staaten. Wir wollen ihm angenehmen Aufenthalt wünschen. Für den vollen Erfolg seiner Arbeit wird Ernst Lubitsch schon selbst sorgen.“

Antideutsche Stimmung noch verhalten

In den USA hat Lubitsch Konjunktur. Sein 1919 gedrehter Historienfilm „Madame Dubarry“, dort unter dem Titel „Passion“, begeistert seit zwei Jahren mit seinen pompös ausgestatteten Massenszenen und seinem Star Pola Negri das amerikanische Publikum. Die noch verhalten antideutsche Stimmung für die erste UFA-Produktion in Amerika nach Kriegsende hatte zwar die „New York Times“ noch thematisiert: „Die Herkunft von ‚Passion‘ darf als entschuldigt gelten, weil sein Star eine Polin ist und sein Sujet französisch.“

Holpriger Start in Hollywood

Doch auch die vier neuesten Filme des Berliner Regisseurs, wie etwa „Das Weib des Pharao“, feiern weitere Erfolge in US-Kinos. Als Ernst Lubitsch mit seiner Frau Helene in Hollywood eintrifft, lernt er eine perfekt organisierte Studio-Stadt kennen. Sein Start in der Filmmetropole aber verläuft holprig. Die Zusammenarbeit mit Mary Pickford gestaltet sich schwierig. „Rosita“, die Geschichte einer spanischen Straßensängerin, wird nur wohlwollend aufgenommen, Pickford ist enttäuscht. Lubitsch will schon seine Rückreise vorbereiten, als er ein außergewöhnliches Angebot erhält. Die neu gegründete Warner Brothers bietet ihm für vier Jahre 60.000 Dollar pro Film und freie Stoffwahl.

Vor 100 Jahren - Ernst Lubitschs Aufbruch nach Hollywood (2)

Seine Warner-Filme werden kein historischer Prunk mehr, Lubitsch verlegt sich auf anzügliche Komödien: pikante und vor Witz sprühende Geschichten über Drei- oder Vierecks-Beziehungen. Die Zensur der prüden US-Sittenwächter im Hinterkopf, entwickelt Lubitsch dabei eine wahre Meisterschaft der versteckten Andeutungen.

Der Heimat bleibt er noch verbunden. Über neue Trends berichtet er gelegentlich im Berliner Branchenblatt „Lichtbildbühne“, Titel: „Unsere Chancen in Amerika“: „Das amerikanische Publikum ist momentan gegen die Kostümfilme. Die Ufa braucht attraktive Darsteller in modernen Kostümen. Der moderne Gesellschaftsfilm ist nun einmal in der Welt der große Trumpf und wird es vorläufig wohl auch bleiben.“

Karriere-Booster Tonfilm

Ab 1926 wird Lubitsch regelmäßig zu den amerikanischen Top-Regisseuren gewählt. Anwerbeversuche zur UFA zurückzukehren, lehnt er ab. Nach Berlin kommt er nur noch für Urlaube oder um alte Freunde zu treffen. Der Tonfilm befördert seine Karriere weiter. Auf seinem letzten Berlinbesuch 1932 erklärt er: „Es ist der größte Fortschritt, den jeder Regisseur begrüßen muss. Sehen Sie: der stumme Film war keine völlig in sich abgeschlossene Kunstgattung. Er musste Filmtitel zur Hilfe nehmen, wenn er eine Geschichte erzählen wollte. Dieser Titel war ein Fremdkörper, den der Tonfilm ausmerzte. Und schon diese Tatsache allein genügt, um die Existenz des Tonfilms zu rechtfertigen.“

Anlaufstation vieler Emigranten aus NS-Deutschland

Es entstehen zahlreiche Tonfilmklassiker wie „Trouble in Paradise“, in denen er seinen eleganten Komödienstil um virtuose Dialoge ergänzen und perfektionieren kann. Während er im Filmgeschäft weiter nach oben steigt und 1935 mit 43 Jahren Produktionschef der Paramount wird, entziehen ihm die Nationalsozialisten die deutsche Staatsbürgerschaft, weil er Jude ist. Sein Haus in Beverly Hills wird Anlaufstation vieler vor den Nazis geflohener Emigranten. Der junge Billy Wilder etwa schreibt erfolgreich Drehbücher für ihn, wie die 1939 produzierte Greta-Garbo-Komödie „Ninotschka“; für Wilder ein Sprungbrett für seine erste eigene Regie-Arbeit:

„Am Tage vorher ging ich zum Lubitsch und habe ihm gesagt, ‚morgen mache ich die erste Aufnahme meines ersten Filmes. Ich werde mir in die Hosen scheißen‘. Und da hat der Lubitsch mir gesagt: ‚Ich mache meinen 70. Film, und ich scheiße mir jeden Tag in die Hose‘.“

Filmpremiere vor 80 Jahren Als Ernst Lubitschs "Sein oder Nichtsein" in die US-Kinos kam Filmpremiere vor 80 Jahren Als Ernst Lubitschs "Sein oder Nichtsein" in die US-Kinos kam Kurz nach der US-Kriegserklärung an NS-Deutschland drehte der deutsch-amerikanische Regisseur Ernst Lubitsch eine so böse wie geniale Satire über den Widerstand einer Warschauer Theatergruppe gegen ihre deutschen Besatzer. Vor 80 Jahren wurde "Sein oder Nichtsein“ uraufgeführt.

Während des Krieges, 1942, erregt Lubitsch Aufsehen mit der Komödie „To Be or Not to Be“ über den Widerstand einer Warschauer Theater-Gruppe gegen die deutsche Besatzung. Fünf Jahre später, im November 1947 stirbt der gerade 55-jährige Regisseur an einem Herzinfarkt. Noch im Frühjahr hatte Ernst Lubitsch einen Ehren-Oscar für sein Lebenswerk erhalten.

Vor 100 Jahren - Ernst Lubitschs Aufbruch nach Hollywood (2025)

FAQs

Why is Ernst Lubitsch important? ›

Lubitsch was arguably the studio's most respected director. His films were considered prestige projects that were not always big successes commercially but lent the studio cachet. As a result, he was also given a free hand creatively, often produced his own films, and had the privilege of final cut.

What is the Ernst Lubitsch touch? ›

After making hit sex comedies and lavish spectacles in his native Germany, Ernst Lubitsch (1892-1947) revolutionized American movies with a sui generis subtlety, visual wit, and sophisticated innuendo – the fabled “Lubitsch Touch” (as definitive a trademark as “Master of Suspense” would be for Hitchcock), inventing the ...

Where should I start with Ernst Lubitsch? ›

The best place to start – Trouble in Paradise.

What was the major technical innovation that director Ernst Lubitsch used to allow himself more freedom with the camera as he filmed? ›

What was the major technical innovation that director Ernst Lubitsch used to allow himself more freedom with the camera as he filmed? Shooting without sound and dubbing it in later.

Why was trouble in Paradise banned? ›

Made before effective enforcement of the Production Code, the film is an example of pre-Code cinema containing adult themes and sexual innuendo that was not permitted under the Code. In 1935, when the Production Code was being enforced, the film was not approved for reissue, and it was not seen again until 1968.

What is the plot of Where Hands Touch? ›

Where is Ernst Lubitsch buried? ›

Ernst Lubitsch
DiedNovember 30, 1947 (aged 55) Los Angeles, California, U.S.
Resting placeForest Lawn Memorial Park (Glendale)
OccupationsFilm director producer writer actor
Years active1913–1947
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What major Hollywood studio became prominent by 1927 due to its introduction of talkies the jazz singer 1927 and early 30s gangster films? ›

The enormous financial success of these early sound films enabled Warner Brothers to become a major motion-picture studio. By the 1930s Warner Brothers was producing about 100 motion pictures a year and controlled 360 theatres in the United States and more than 400 abroad.

What movies did Frank Capra win Best Director? ›

Academy Awards, USA
  • 1947 Nominee Oscar. Best Director. It's a Wonderful Life.
  • 1940 Nominee Oscar. Best Director. Mr. Smith Goes to Washington.
  • 1939 Winner Oscar. Best Director. You Can't Take It with You.
  • 1937 Winner Oscar. Best Director. Mr. Deeds Goes to Town.
  • 1935 Winner Oscar. Best Director. It Happened One Night.

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Author: Amb. Frankie Simonis

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